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Pflege bei Neurodermitis - Die Barriere unterstützen

 

Die neurodermitische Haut zeichnet sich durch Trockenheit und einen hohen transepidermalen Wasserverlust (TEWL) aus. Gerade im Winter kommt der begleitenden kosmetischen Hautpflege und vor allem deren Zusammensetzung eine besondere Bedeutung zu.

 

Die Neurodermitis, synonym: atopische Dermatitis, ist eine sehr weit verbreitete Barrierestörung der Haut, die einerseits vererbt wird, andererseits offensichtlich durch kulturelle Einflüsse begünstigt wird. Ihre Häufigkeit nimmt ständig zu. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes fünfte bis zehnte Kind und zwischen drei und fünf Prozent der Erwachsenen davon betroffen sind. Es wird vermutet, dass neben der Vererbung eine ungenügende Ausprägung des Immunsystems im Kindesalter für eine spätere Überempfindlichkeit hinsichtlich atopischer Krankheiten wie Neurodermitis, Heuschnupfen und allergischem Asthma verantwortlich ist. Dafür spricht, dass die Häufigkeit in den Großstädten höher ist als in ländlichen Gegenden. Ohne im Einzelnen auf die komplexen immunologischen Vorgänge einzugehen, kann von einer Reihe genetischer Faktoren und von Auslösern aus der Umwelt ausgegangen werden. Unter den Letzteren spielen vor allem psychosozialer Stress, Klima, mikrobielle Infektionen, hautirritierende und sensibilisierende Stoffe eine Rolle.

Geschädigte Barriere

Die neurodermitische Haut zeichnet sich durch Trockenheit und einen hohen transepidermalen Wasserverlust (TEWL) aus. Letzterer erklärt umgekehrt auch die hohe Anfälligkeit dieser Haut gegenüber der Penetration externer Stoffe. Das linolsäurehaltige Ceramid I, das einen der wichtigsten Barrierestoffe der Haut darstellt, ist im Stratum corneum unterrepräsentiert. Hinsichtlich der essenziellen Fettsäuren, zu der auch die Linolsäure gehört, fällt darüber hinaus ein häufiger Enzymdefekt auf: der Körper ist nicht in der Lage, Linolsäure in Gamma-Linolensäure umzuwandeln. Daraus ergeben sich Ansätze zur unterstützenden Prävention mit entsprechend zusammengesetzten Pflegepräparaten. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass topisch applizierte essenzielle Fettsäuren völlig anders "verarbeitet" werden als oral aufgenommene. Letztere werden über die Leber zu Arachidonsäure und ihren Folgeprodukten metabolisiert.

Wachsende Empfindlichkeit

Es gibt viele dermatologische Therapien, die von Bestrahlungen mit Ultraviolettlicht über balneologische Maßnahmen, Verordnung von Immunmodulatoren, Immunsuppressiva, Antibiotika und entzündungshemmenden Substanzen bis hin zu symptomatischer Behandlung mit Glukokortikoiden reichen. Dabei ist es wichtig, eine weitere Atrophie der Haut - Nebenwirkung bei andauernder Therapie mit diesen Substanzen - zu vermeiden. Diese erhöht nämlich die Empfindlichkeit gegenüber äußerlichen Einflüssen. Zusätzliche Komplikationen wie Sensibilisierungen und Infektionen sind die Folge.

Stress & Co

Mögliche Auslöser sind beispielsweise in Nahrungsmitteln, Textilien, Pharmaka, Arbeitsstoffen und Pflanzenpollen verborgen. Angepasste Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sowie Klimaveränderungen können Erleichterungen bringen, lassen sich aber im Alltag nicht immer realisieren.
Neurodermitis kann ganz unterschiedlich ausgeprägt auftreten. So kann sich die Barrierestörung auf einzelne Hautpartien beschränken - wobei die Gelenkbeugen besonders häufig betroffen sind - oder den ganzen Körper befallen. Im Kleinkindalter wird häufig "Milchschorf" beobachtet, der sich auf dem behaarten Kopf entwickelt. Ansonsten bilden sich ekzemartige Herde mit nässender Beschaffenheit im Gesicht, Rumpf, Händen und Füßen. Der Juckreiz bewirkt ein andauerndes Kratzen und nachfolgend auch eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen. Stresssituationen verstärken den Juckreiz. Daher sind diesbezüglich auch Strategien zur Stressbewältigung wichtig.
Neurodermitis bricht in der Regel schubweise aus. Die beschwerdefreie Zeit kann man zur unterstützenden Prävention nutzen. So lässt sich eine erneute Verschlechterung des Hautzustandes hinauszögern. Naturgemäß ist der Winter aufgrund der in den Räumen herrschenden geringen Luftfeuchtigkeit besonders kritisch. In dieser Zeit fördert die geschädigte Barriere die Austrocknung der Haut und löst den quälenden Juckreiz aus. Daher kommt gerade in dieser Zeit der Hautpflege und vor allem deren Zusammensetzung eine besondere Bedeutung zu.

Allgemeine Pflegegrundsätze

Da die neurodermitische Haut sehr empfindlich auf alle stofflichen Einflüsse reagiert, sollten bei der Auswahl der Präparate einige allgemeine Grundsätze beherzigt werden. In Pflegeprodukten sind in der Regel viele Stoffe enthalten, die der Stabilität und Akzeptanz der Produkte dienen, letztendlich aber für die Haut eine Belastung darstellen. Dazu gehören beispielsweise Konservierungsmittel. Da sie ein Sensibilisierungspotential haben und die barrieregestörte Haut besonders leicht durchdringen können, stellen sie für die Betroffenen ein großes Problem dar. Dies gilt gleichermaßen für Parfümstoffe. Eine weitere Stoffklasse, die gemieden werden sollte, sind Emulgatoren, d. h. Hilfsstoffe, die die Verbindung von Fettstoffen mit einer Wasserphase zu einer Creme ermöglichen. Es hat sich herausgestellt, dass insbesondere synthetische Emulgatoren, die unverändert in der Haut gespeichert werden, bei der Hautreinigung zu einer erhöhten Ausschwemmung von hauteigenen Barrierestoffen beitragen. Da die Haut der Neurodermitiker vergleichsweise geringe Mengen von Barrierestoffen produziert, wird sie durch diese Art der Emulgatoren noch zusätzlich geschwächt. Hier bieten sich Konzepte an, die ganz auf Emulgatoren verzichten und beispielsweise mittels körpereigener Membranstoffe eine Cremestruktur aufbauen, die den Barriereschichten der Haut sehr ähnlich ist ("Derma Membran Struktur"). Ein derartiges System hat den Vorteil, Lücken in den Barriereschichten mit vergleichsweise ähnlichem Material füllen zu können, ohne gleichzeitig die Eigenregeneration der Haut zu behindern. Eine verminderte Eigenregeneration wird beispielsweise bei Cremes beobachtet, deren Bestandteile auf der Oberfläche der Haut einen undurchlässigen Film bilden. Dies gilt vor allem für hohe Konzentrationen an Paraffinöl und/oder Vaseline. Die Wirkung ist letztendlich ähnlich wie bei einem Pflaster, das auf die Haut geklebt wird. Dagegen bieten pflanzliche Öle, Fette und Wachse eine ausreichende Fettung und können sich in die Struktur der Hornschicht integrieren. Man kann sie in moderaten Mengen auch pur - auf besonders empfindliche Haut - auftragen, wenn selbst die Wasserphase von Cremes nicht mehr toleriert wird. In diesen extremen Fällen eignen sich auch wasserfreie Oleogele, die im Prinzip Öle darstellen, die durch einen Konsistenzgeber verdickt wurden und so anwendungsfreundlicher sind als reine Öle -  der optimale Hautschutz. Wie bei den Cremes sollten die in Oleogelen verwendeten Öle physiologisch gesehen keinen Fremdkörper darstellen.

Korneotherapie

Die von Prof. Albert Kligman propagierte Korneotherapie basiert auf ähnlichen Überlegungen. Ein wichtiges Ziel dabei ist es, den Feuchtigkeits und Fetthaushalt der Hornschicht individuell ins Gleichwicht zu bringen. Nachfolgend sollen auch die betroffenen tieferen Hautschichten davon profitieren und sich regenerieren können. Topische Arzneimittel und ihre Nebenwirkungen lassen sich dadurch reduzieren oder werden unter Umständen ganz überflüssig. Die Grundsätze der Korneotherapie lassen sich in der Kosmetik hervorragend für die unterstützende Prävention in der beschwerdefreien Zeit nutzen. Messtechnisch kann man die Feuchtewerte der Haut mit der Korneometrie, die oberflächlichen Lipide mit der Sebumetrie und der TEWL mit der Tewametrie verfolgen. Um die Hautfeuchte zu erhöhen, haben sich NMF-Substanzen wie Aminosäuren, Harnstoff und Glycerin bewährt. Zusammen mit Liposomen lassen sie sich gut innerhalb der Hornschicht verteilen. In Nanopartikeln gelöstes Nachtkerzenöl kann ebenfalls hilfreich sein, wenn durch den oben beschriebenen Enzymdefekt ein Defizit an Gamma-Linolensäure vorliegt. Nanopartikel und Liposomen setzen darüber hinaus aufgrund ihres Gehaltes an Phosphatidylcholin kontinuierlich Linolsäure frei, die in das körpereigene Ceramid I eingebaut wird und so die Barriereschichten zu stabilisieren hilft. Harnstoff mildert den Juckreiz. Alle Wirkstoffe sollten zweckmäßig in Kombination mit einer membranstoffhaltigen Creme angewandt werden.

Angepasste Hautreinigung

Neurodermitisch veranlagte Haut ist arm an hauteigenen Barrierestoffen und verliert bei jeder Reinigung noch mehr davon. Wichtig ist es daher, zu häufiges Waschen zu vermeiden - insbesondere wenn noch waschaktive Reinigungspräparate (Duschcreme, Shampoo etc.) mit verwendet werden. Letztere sind auf ein Minimum zu reduzieren oder gar nicht zu benutzen. Neurodermitiker sollten darauf achten, dass die Reinigungspräparate sehr milde Tenside enthalten. Die häufig propagierten rückfettenden Eigenschaften dieser Präparate sind nicht immer für trockene und neurodermitische Haut geeignet, vor allem wenn sie auf oberflächenaktive Substanzen zurückzuführen sind. Hier empfiehlt es sich, den Blick für die INCI zu schärfen. Eine geeignete Alternative ist z. B. eine Reinigungsmilch, die im Prinzip einer flüssigen membranstoffhaltigen Creme mit einem höheren Ölgehalt entspricht. Dieser Reinigungsmilch-Typ verhindert das Auswaschen hauteigener Barrierestoffe.
Aber selbst wenn man nur reines Wasser verwendet, muss man sich um dessen Inhaltsstoffe kümmern. Denn Wasser ist nicht gleich Wasser. Hartes Wasser ist für eine barrieregestörte Haut äußerst ungeeignet, da die enthaltenen Kalzium-Ionen leicht in die Haut eindringen können und dort mit der körpereigenen Palmitinsäure schwerlösliche Kalkseifen bilden. Da die Palmitinsäure ein essenzieller Bestandteil der Barriereschichten ist, werden die Barriereschichten durch die Seifenbildung weiter zerstört. Es empfiehlt sich daher, in Gegenden mit hartem Wasser eine Entkalkungsvorrichtung einzubauen, wobei der pH des entkalkten Wassers möglichst nicht über 7-8 liegen sollte. Wenn das zur Verfügung stehende Wasser nur Karbonathärte enthält, ist in kleinen Mengen zur Not ein Abkochen des Wassers ausreichend, weil sich dabei die Kalzium-Ionen als unlöslicher Kesselstein abscheiden.
Eine Hilfe bei der reizfreien Hautreinigung können emulgatorfreie Ölbäder sein. Ein Phosphatidylcholin-Zusatz transportiert die Öle aktiv auf die Hautoberfläche und lagert sie dort ab. Eine gegenteilige Entfettung wie bei emulgatorhaltigen Bädern findet in diesem Fall nicht statt.

Transpiration & Klima

Ein Grund für das häufige Waschen kann die Reizung durch den körpereigenen Schweiß sein, wenn er auf der Haut eintrocknet. In diesem Fall ist eine atmungsaktive Kleidung wichtig. Enge Kleidung verursacht mechanische Reizungen und ein feuchtes Mikroklima. Bakterien und Pilze können sich unter derart günstigen Lebensbedingungen vermehren, in die gestörte Barriere eindringen und zu Infektionen führen. Dagegen vermindern feuchtigkeitsreiche niedrigere Raumtemperaturen die Austrocknung der Haut.
Selbstverständlich können alle geschilderten Maßnahmen die Ursachen für eine neurodermitisch veranlagte Haut nicht beheben. Sie stellen jedoch in ihrer Gesamtheit nach der dermatologischen Behandlung ein wichtiges Glied in den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dar.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetische Praxis
2005 (1), 9-11

 
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